“More power on starboard…

…please!” Dieser Satz kam mir jetzt ganz aktuell wieder regelmäßig zu Ohren – auch wenn dieser Artikel seit ziemlich genau einem Jahr fast fertig herumliegt. Denn so lang ist es nun schon her, dass ich für sechs Monate in Seattle gewesen bin, kaum zu glauben. Dennoch möchte ich euch den Bericht nicht vorenthalten… Die Zeit hier drüben verging wie im Flug: Kaum hatte ich angefangen, mich wirklich einzuleben, war auch schon fast wieder Zeit, an meine Rückkehr zu denken… und dabei ist zwischendrin unglaublich viel passiert. Aber fangen wir vorne an.

Wer es nicht mitbekommen haben sollte: Letztes Jahr von April bis Oktober hatte sich mein Lebensmittelpunkt temporär nach Seattle verlagert, einer tollen Stadt mit viel Wasser. Der Auslöser hierher zu kommen war mein Studium, welches ich hier mit meiner Masterarbeit an der University of Washington abgeschlossen habe. Aber es war natürlich viel mehr: Neben der Arbeit war ich (wie immer) viel beschäftigt, bin durch das Land gereist, habe viel erlebt und habe natürlich einen Ruderverein aufgesucht. Schlussendlich bin ich beim Union Bay Rowing Club gelandet – direkt bei der Uni, fabelhaft! Es handelt sich um eine kleine aber feine Ansammlung von Studenten, Alumni und Uni-Angestellten, die ehrenamtlich von Mitch begleitet und trainiert werden. Bis zu dreimal in der Woche klingelte also morgens um 5:15 Uhr mein Wecker, damit ich pünktlich um 6:00 Uhr am Bootshaus sein kann. Zum Ende meiner Zeit hin erlebten wir den Sonnenaufgang vom Wasser, im Hochsommer blinzelte sie mir bereits auf meinem Weg zum Bus entgegen. So oder so ist es unglaublich beeindruckend, welche Naturschauspiele hier morgens bereitgehalten werden, um die müden Studenten aufzuwecken.

Gerudert wird in Rennbooten: Zweier und Vierer, letztere sowohl Skull als auch Riemen. Mannschaften werden bunt gemixt, viele Anfänger, die im Frühjahr angefangen haben, aber auch erfahrene Ruderer. Alles super nette Menschen und jeder Morgen hat seinen eigenen Reiz. Meist ist es trocken, häufig wolkig mit Aussicht auf Space Needle, manchmal blauer Himmel, einige Male auch regnerisch. Zu Beginn sind wir häufig ‘im Kreis’ gerudert (der Titel des Berichtes lässt grüßen), aber nach einiger Zeit ging’s auch mal auf die Seen raus, einmal sogar raus auf den Lake Washington (von wo wir einen fabelhaften Blick auf den Mount Rainier hatten, welcher in Wolken gebettet war) und auf den Lake Union, welcher uns die Space Needle auf Wolken drapiert geboten hat. Steuern muss jeder, reihum wird gewechselt und nach einiger Zeit hatte ich die wichtigste Terminologie auch auf englisch drauf. Ich konnte natürlich auch meine Klappe nicht halten und hin und wieder kam der Trainer in mir durch, also kam ich auch an dieser Front nicht aus der Übung…

Im September hatte ich dann sogar die Chance, an zwei Regatten teilzunehmen. Einmal durfte ich meinen altbekannten Platz am Ende des Bootes einnehmen und das Beste aus meinen Sprachkenntnissen machen – das andere Mal bin ich selber gerudert: Die Otter Island Touring Regatta (durchgeführt von der Everett Rowing Association) ist eine Langstreckenregatta, welche nördlich von Seattle in Everett ausgetragen wird. Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, ob wirklich das Rudern im Mittelpunkt steht – oder nicht vielleicht doch das anschließende Lachs-Essen. So oder so, Riemenrudern ist eigentlich nichts für Menschen mit kurzen Beinen, aber die Landschaft, der vom Veranstalter gestellte Achter, die Oberstufen-Schüler, die zum Boote tragen beordert waren und natürlich die Mannschaft haben die Regatta zu einer krönenden (und abschließenden) Aktion hier gemacht!

Wirklich abgeschlossen ist das Kapitel Seattle aber zum Glück nicht: Da ich hin und wieder zu Besuch nach Seattle komme, bleibt natürlich auch das Rudern nicht auf der Strecke – und es ist toll, immer wieder herzukommen und mit den anderen zu rudern. Außerdem haben wir, wie manche von euch am eigenen Leib erfahren hat, auch bei uns mittlerweile den einen oder anderen Morgen auf dem Wasser verbracht. (Siehe Artikel zur Morgenröte). Und nicht zuletzt: Dieses Jahr ist es zwar zu spät, sich für das „Lachsessen mit Regatta“ anzumelden, aber vielleicht gibt es ja Interessenten, die nächstes Jahr dabei sein wollen?

Caro